“Schutzmaßnahmen „auslaufen“ zu lassen, scheint mir gefährlich” - Interview mit dem Compliance Beauftragten der thyssenkrupp AG

Veröffentlicht: 2024-09-24

Dr. Falk Löffler ist Compliance Beauftragter der thyssenkrupp AG - eines privilegierten Güterhändlers. In seiner Funktion verantwortet er die Ausarbeitung und Umsetzung der Geldwäscheprävention und Berät Tochterunternehmen mit dem Ziel, jegliche Geldwäscheaktivitäten zu verhindern.

Dr. Löffler zählt schon seit Jahren zu den Befürwortern einer europäischen Vereinheitlichung der Regelungen zur Geldwäscheprävention - und prangert den Sonderweg, den Deutschland insbesondere bei Güterhändlern eingeschlagen hat, an. Wir führen das Interview vor dem Hintergrund des nun beschlossenen EU-Anti-Geldwäsche-Pakets und seinen Folgen.


Herr Dr. Löffler können Sie Ihre Kritik über den deutschen Sonderweg noch einmal ausführen?

Abweichend von den bisherigen EU-Geldwäscherichtlinien hat Deutschland die Anwendbarkeit des Geldwäschegesetzes auf sämtliche Güterhändler ausgedehnt. Für deutsche Industrieunternehmen (Güterhändler) führt das zu gesetzlich erforderlichen Präventionsmaßnahmen, die umfangreicher als in den meisten anderen Ländern sind. Oftmals sind diese Maßnahmen in Form unternehmensinterner Vorgaben konzernweit einheitlich verankert. Dadurch kann sich in global agierenden deutschen Unternehmensgruppen ein erhöhter Präventionsaufwand ergeben.

Sie sind Compliance-Officer eines nach dem deutschen Geldwäschegesetz „privilegierten Güterhändlers“. Welche konkreten Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bestehen hier?

Die thyssenkrupp-Gesellschaften weltweit haben überwiegend B2B-Geschäft. Größere Bargeldtransaktionen fanden mit unseren Kunden und Lieferanten daher bereits lange vor der Einführung einer konzernweiten Bargeldobergrenze kaum statt. Insofern führte der Verzicht auf Barzahlungen ab 10.000 EUR zur Verringerung eines zuvor schon sehr geringen Risikos.
Das Risiko, dass unsere Unternehmen durch Dritte für deren Geldwäscheaktivitäten missbraucht werden, könnte u.a. bei leicht weiterzuveräußernden Produkten, bspw. bestimmten Ersatzteilen, bestehen. Möglicherweise erhöhte Risiken können auch dann vorliegen, wenn wir Geld nicht direkt von unseren Kunden, sondern von Dritten erhalten.
Leider „belohnt“ das deutsche Geldwäschegesetz nur den Verzicht auf größere Bargeldzahlungen. Werden hingegen andere potenzielle und deutlich relevantere Geldwäscherisiken in Unternehmen durch teils umfangreiche und aufwändige Maßnahmen verringert, bleibt der zu erfüllende gesetzliche Pflichtenkatalog unvermindert bestehen.

Welche Präventionsmaßnahmen setzen Sie in der thyssenkrupp AG und in den thyssenkrupp-Unternehmen um?

Zuerst einmal: wir haben ein vollständiges und effektives Compliance Management System (CMS) für den Bereich Prävention der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung aufgebaut. Erst kürzlich wurde uns die Angemessenheit nach dem IDW PS 980 für dieses CMS durch einen namhaften externen Zertifizierer bestätigt. Insofern finden Sie die bekannten Risikopräventionsbausteine in den thyssenkrupp-Unternehmen.

Zwei Maßnahmen-Schwerpunkte möchte ich an dieser Stelle beispielhaft nennen: Selbstverständlich haben wir in mehreren Risikoanalysen ermittelt, in welchen Geschäftsbereichen welche Arten an Risiken bestehen. Ausgehend von diesen Erkenntnissen wurde in den Gesellschaften, in denen die größten potenziellen Risiken bestehen, eine erhöhte „Wachsamkeit“ für Auffälligkeiten erzeugt, insbesondere in relevanten Abteilungen und der jeweiligen Geschäftsführung. Darüber hinaus hat es sich für uns als sehr wirksam erwiesen, das Know-How für dieses Thema bei der Konzernmutter zu bündeln und von hier aus immer wieder verschiedene Impulse für die Tochtergesellschaften zu generieren. Ein Beispiel hierfür ist, dass wir Verdachtsmeldungen für die deutschen thyssenkrupp-Gesellschaften zentral abgeben – eine Maßnahme, für die wir aus den Tochtergesellschaften immer wieder Zuspruch erhalten.

Sie hatten sich von dem EU-AML-Paket auch eine Vereinheitlichung der Aufsichtstätigkeiten im Nicht-Finanzsektor gewünscht. Wie sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Durch die unmittelbar anwendbare Verordnung entfällt zukünftig der bisherige Flickenteppich der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationale Gesetze der EU-Staaten. Diese absehbare Vereinheitlichung ist begrüßenswert. Die neuen Vorgaben erstrecken sich jedoch nicht auf die administrative Gestaltung der Aufsichtstätigkeiten im Nicht-Finanzsektor. Insofern kann ich derzeit keine Änderung der bemerkenswerten Aufsichtslandschaft in Deutschland erkennen. Die neue, noch aufzubauende Europäische Ober-Aufsichtsbehörde (AMLA) könnte ggf. inhaltliche Standardisierungen bewirken.

Worauf müssen privilegierte Güterhändler auch in Zukunft im Rahmen ihrer AML/CFT-Maßnahmen achten?

Nach aktuellem Stand werden die meisten deutschen Industrieunternehmen ab Sommer 2027 keine gesetzlichen Anforderungen zur Prävention der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung mehr erfüllen müssen. In Erwartung dessen die derzeitigen Schutzmaßnahmen „auslaufen“ zu lassen, scheint mir gefährlich. Außerdem wird auch zukünftig die Leichtfertigkeit im § 261 StGB bleiben. Diese gilt es unbedingt zu vermeiden. Ohne angemessene Präventionsmaßnahmen dürfte das jedoch kaum gelingen.

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