“Ich habe das Gefühl, dass nicht ankommt, das reale Gefahren bestehen.” Interview mit mafianeindanke-Mitglied Eva Blöchl

Seit einigen Monaten breitet sich die Mocro-Mafia aus den Niederlanden in Deutschland aus. In letzter Zeit kam es immer wieder zu Explosionen, häufig in oder vor Wohnhäusern. Hintergrund ist mutmaßlich ein Streit um geklautes Marihuana aus einem Lager in Köln-Hürth, mit einem Straßenverkaufswert von 1,5-2 Millionen Euro. Die Gefahr ist noch nicht gebannt.

Wie Ermittlungen ergaben, gelang es der Mocro-Mafia zudem schon, die Polizei zu unterwandern. Ein Bonner Polizist wird beschuldigt über Polizeicomputer Daten abgegriffen und verkauft zu haben. Der Fall weist Parallelen zu einem Spitzel innerhalb der Financial Intelligence Unit (FIU) auf, der vor einiger Zeit mutmaßlich für einen Berliner Clan auf sensible Daten Zugriff und diese gegen Geld weiterleitete.

Der Wissenschaftler Pieter Tops warnte in der Süddeutschen Zeitung vor den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden. Denn mit der Ausbreitung der Mafia würden kriminelle Strukturen an Einfluss gewinnen. Zuerst wird in die legale Wirtschaft und Geldwäsche investiert, dann durch Strukturen – zum Beispiel über eigens zum Zweck der Geldwäsche gegründete oder aufgekaufte Unternehmen – unechte Konkurrenz geschaffen und letztendlich die legale Wirtschaft verdrängt. Im Anschluss könne so auch der gesellschaftliche und politische Einfluss wachsen.

Vor diesen Gefahren warnt seit Jahren auch der Anti-Mafia-Verein „mafianeindanke e.V.“. Nach den Mafia-Morden vom 15. August 2007 in Duisburg entschied sich eine Gruppe italienischer Gastronom:innen, sich gegen die sich auch in Deutschland ausbreitende italienische Mafia zu engagieren und Aufklärungsarbeit zu betreiben. Einen ersten Erfolg verzeichnete die Initiative schon zu Silvester 2007. Nach einer Sicherheitsvereinbarung mit dem LKA Berlin, die zusagte Gastwirte vor Schutzgelderpressungen zu schützen, sofern sie angezeigt würden, nahm die Polizei zu Silvester des Jahres drei Erpresser fest.

Seit seiner Gründung setzt sich der Verein weiter für Aufklärungs- und Lobby-Arbeit gegen Finanzkriminalität ein. Dabei gründete er auch ein NRW-Gruppe mit Schwerpunkt in Köln.

Eva Blöchl, Associate Compliance bei Kerberos, ist Mitglied bei mafianeindanke e. V. und setzt sich ehrenamtlich für den Verein ein. Mit uns spricht sie über ihr Engagement und die Gefahren, die sie in Geldwäsche und Mafia-Aktivitäten sieht. Aber auch darüber, was sie optimistisch stimmt.

Hallo Eva, zuerst zu dir: Wie bist du zum Thema Geldwäsche gekommen und warum engagierst du dich bei mafianeindanke e.V.?

Das Thema beschäftigt mich bereits seit meinem Studium. Ich habe im Master begonnen, mich mit Organisierter Kriminalität und Geldwäsche zu beschäftigen und konnte während meines Aufenthaltes in Mailand davon profitieren, dass das Thema dort bereits seit langem einen festen Platz in der Forschung und Lehre hat. Dann habe ich auch meine Masterarbeit über Geldwäsche insbesondre durch (I)OK geschrieben, allerdings mit Fokus auf Deutschland. Und wer zu diesen Themen recherchiert, kommt an mafianeindanke kaum vorbei. Ich war also Fan, lange bevor ich Mitglied wurde.

Welches Ziel verfolgt mafianeindanke aktuell?

Eines der zentralen Ziele von mafianeindanke ist, Aufmerksamkeit für das Thema zu erzeugen und vor allem auch dafür zu sorgen, dass die Aktivitäten der (I)OK nicht wieder aus dem Blickfeld rutschen, sobald andere Themen die Zeitungen dominieren. Ich freue mich natürlich sehr, dass wir anlässlich der jüngsten Ereignisse über OK und Geldwäsche sprechen, aber das Thema sollte uns auch interessieren, wenn keine Sprengsätze fliegen oder spektakuläre Entführungen und Folter in Vorstadtvillen uns skandalisieren. Etwa die italienische OK agiert nämlich sehr leise.

mafianeindanke fordert daher eine zivilgesellschaftlich organisierte und unabhängige Beobachtungsstelle für Organisierte Kriminalität. Denn in Deutschland fehlt es oft auch an Daten und Erkenntnissen um gezielt gegen OK vorzugehen, obwohl deren Akteure hier seit Jahren aktiv sind. (Details dazu können Sie hier nachlesen). Weitere Forderungen sind systematische Forschungen zu dem Themenkomplex auch an deutschen Universitäten oder die Schaffung einer Bundesanwaltschaft für OK.

Wie steht es denn nach eurer Einschätzung um die Wahrnehmung von Mafia-Aktivitäten, Organisierte Kriminalität und Geldwäsche in Deutschland?

Zwar hat sich in den letzten Jahren auch etwas getan, leider prägen hier aber immer noch romantisierte Mafia-Klischees die öffentliche Wahrnehmung des Phänomens. In jeder zweiten Pizzeria finden sich Gerichte, die nach Mafiagrößen oder popkulturellen Phänomenen mit Mafiabezug benannt sind.

In der Einleitung werden die realen Gefahren, die von der OK ausgehen, beschrieben und wir müssen alle verstehen, dass der Einfluss dieser Organisationen für keinen von uns wünschenswert ist, selbst wenn sie sich nicht in Gewalt auf der Straße niederschlägt. Auch in Deutschland gab es in der Vergangenheit Fälle, bei denen zum Beispiel Amtsträgerin:innen eine Nähe zu mittlerweile verurteilten Mafia-Mitgliedern hatten, die mir Sorgen macht.

Daher ist es wichtig, weiterhin über (I)OK in Deutschland zu reden. Am besten so laut, dass niemand sagen kann „Davon habe ich nichts gewusst“.

In deiner Freizeit engagierst du dich gegen die Organisierten Kriminalität, während deiner Arbeit unterstützt du andere dabei, sich vor Geldwäschern zu schützen – profitieren beide Aktivitäten voneinander?

Natürlich. Bei mafianeindanke gehöre ich dann eher zu den Geldwäsche-Nerds und verfolge daher vielleicht nicht jedes Ermittlungsverfahren in Italien ganz genau. In meinem Job hilft mir das Wissen über Mafia-Aktivitäten in Deutschland und darüber, wie attraktiv die deutsche Wirtschaft insbesondere für die IOK ist dabei, immer vor Augen zu haben, dass die Regulatorik einen Zweck verfolgt, hinter dem ich zu 100 % stehe. Das hilft dann auch in Momenten, in denen man z.B. an der Praxistauglichkeit mancher Vorgaben zweifelt.

Worauf kann mafianeindanke schon heute stolz sein?

mafianeindanke kann schon auf einige Erfolge zurückblicken. Anfänglich die Bekämpfung von Schutzgelderpressung bis jüngste Erfolge wie einer Initiative, die mitverantwortlich für die Einführung der Berliner Task-Force für Notare war, oder die Arbeit an Verbesserungen der rechtlichen Instrumente im Bereich Beschlagnahmung krimineller Vermögenswerte.

In Deutschland habe ich leider oft das Gefühl, dass einfach nicht ankommt, dass hier reale Gefahren bestehen. Insbesondere wenn es sogar finanzielle Anreize geben kann, lieber nicht so genau hinzuschauen.

Was willst du unseren Leser:innen, darunter vielen Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz, gerne mitgeben?

Das die Verpflichtungen, auch wenn sie teils lästig oder nicht ideal umgesetzt sein mögen, einer Sache dienen, die uns alle angeht und uns alle betreffen kann. Wer Geldwäsche durch OK duldet, öffnet diesen Akteuren die Tür in den legalen Wirtschaftskreislauf. Und wer so viel Geld hat wie einige dieser Organisationen etwa mit dem internationalen Kokainhandel verdienen, der hat auch großen Einfluss. Ich kann für mich sagen, dass ich das nicht will. Und ich denke den meisten Leser:innen geht es da ganz ähnlich.

 

Zu mafianeindanke e.V.:

Seinen Ursprung hat mafianeindanke in einem Zusammenschluss von rund 40 italienischen Gastwirt:innen in Berlin im Jahr 2007, dass sich als Reaktion auf Schutzgelderpressungen und Brandanschläge gründete. 2009 wurde aus dem Zusammenschluss ein eingetragener Verein. Aktuell widmen sich Ehrenamtliche in den Ländern Berlin, Bayern und NRW dem Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Hier finden Sie mehr zu Möglichkeiten der Mitgliedschaft und Spende.

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