Neue Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz für die Anwaltschaft
Veröffentlicht: 2024-08-21
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Anwendbarkeit des GwG mit Neu-Nennung von angestellten Unternehmensjurist:innen
Betonung, dass für die Anwendbarkeit des GwG keine allgemeine Bagatellgrenze vorliegen muss
Betonung, dass Pflichten nur bei Kataloggeschäften greifen
Feststellung, dass statt der Kanzleien die Verpflichteten-Eigenschaft auf die einzelnen Rechtsanwält:innen anzuwenden ist
Besonderheiten bei der Verpflichteten-Eigenschaft von Syndikusrechtsanwälten
Spezifizierung der Identifizierungspflicht der für Mandant:innen auftretenden Personen
Ausführungen zur Erstellung von konkreten Risikobewertungen im Einzelfall
Spezifizierung der Anforderungen an die Auslagerung der Sorgfaltspflichten an Dritte
Spezifizierung der Anforderungen an die Überprüfung von Politisch exponierten Personen
Ausführungen zur Einrichtung einer internen Hinweisgeberstelle unter Wahrung der Vertraulichkeit
Einfügung der Vorgaben durch das am 01.04.2023 eingeführte Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften
Ausführungen zu den Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten im Bezug auf VideoIdent Untersuchungspflichten, Bewertungsergebnisse sowie Art der Dokumentation
Bei der Anwaltschaft stechen zwei berufsrechtliche Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Geldwäschegesetz hervor – und sorgen für gewisse Herausforderungen: Die berufliche Verschwiegenheitspflicht sowie die anwaltliche Selbstverwaltung über die Kammern.
Spannungsfeld: Verschwiegenheits- und Meldepflicht
Die Verschwiegenheitspflicht der Anwaltschaft ist eine Voraussetzung Vertrauen zwischen Berufsträgern sowie Mandant:innen herzustellen. Sie gehört deswegen auch zu den Grundpflichten (§43a Abs. 2 BRAO) von Rechtsanwält:innen und Verstöße sind strafbewährt.
Nur in stark reglementierten Ausnahmefällen darf die Verschwiegenheitspflicht gebrochen werden. Ausnahmen im Zusammenhang mit der Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung stellen die Meldepflichten nach §43 GwG sowie die GwGMeldV-Immobilien dar.
Grundsätzlich besteht keine Pflicht zur Verdachtsmeldung, wenn sich der meldepflichtige Sachverhalt auf Informationen bezieht, die Rechtsanwält:innen im Rahmen der Rechtsberatung oder Prozessvertretung erhalten haben. Damit trägt der Gesetzgeber dem rechtlich geschützten und für eine effektive Berufsausübung unverzichtbaren Vertrauensverhältnis Rechnung.
Von der anwaltlichen Schweigepflicht macht das GwG in den folgenden Fällen Ausnahmen:
So besteht eine „Gewissheitsmeldeplicht“ wenn Rechtsanwält:innen positiv wissen, dass Mandant:innen das Mandatsverhältnis für den Zweck der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung nutzen.
In diesen Fällen muss auch die Anwaltschaft Geldwäsche-Verdachtsmeldungen an die Financial Intelligence Unit (FIU) abgeben.
Eine absolute Durchbrechung der Schweigepflicht ist mit Wirkung zum 1.10.2020 in Gestalt der Verordnung zu den nach dem Geldwäschegesetz meldepflichtigen Sachverhalten im Immobilienbereich (GwGMeldV-Immobilien) in Kraft getreten. In dieser Vorschrift hat das Bundesfinanzministerium Sachverhalte bei Erwerbsvorgängen nach § 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) bestimmt, die von Rechtsanwält:innen stets zu melden sind. Hiernach haben Rechtsanwält:Innen zu melden, wenn ein an dem an dem Erwerbsvorgang Beteiligter oder ein wirtschaftlich Berechtigter in einem Risikostaat ansässig ist oder ein Bankkonto genutzt werden soll, das einen Bezug zu einem Risikostaat aufweist.
Auch meldepflichtig sind Erwerbsvorgänge mit Beteiligten oder wirtschaftlich Berechtigten, die nach EU-Recht sanktionsgelistet sind. Eine Suche nach gelisteten Personen ist zum Beispiel über die vom Land Nordrhein-Westfalen betriebene Internetseite https://www.finanz-sanktionsliste.de möglich.
Meldepflichten bestehen ebenfalls, wenn an dem Erwerbsvorgang Beteiligte ihre geldwäscherechtlichen Auskunfts- und Nachweispflichten verletzen. Dies liegt beispielsweise vor, wenn der wirtschaftlich Berechtigte nicht offengelegt wird oder wenn Hinweise auf unrichtige oder unvollständige Angaben zu den beteiligten Personen oder dem wirtschaftlich Berechtigten bestehen.
Vor Einführung der GwGMeldV-Immobilien galt für die Anwaltschaft eine klare Ausnahme von den Meldepflichten, sofern sie ihre Informationen aus der Tätigkeit der Rechtsberatung oder Prozessvertretung erlangt hatte.
Entsprechend kritisch reagierte die BRAK auf den Referentenentwurf der GwGMeldV-Immobilien in einer Stellungnahme vom Juni 2020. Es wurde befürchtet, dass die neuen Meldepflichten unter anderem das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant:innen und Rechtsanwält:innen beschädigen könnten. Die Verordnung trat dennoch in Kraft.
Erneuter Angriff: Selbstverwaltung und Verschwiegenheit
Ein weiteres Konfliktthema mit Bezug zur Prävention von Geldwäsche kam für die Anwaltschaft im Jahr 2022 auf: In einigen Fällen kündigten Banken Anwält:innen (Sammel-)Anderkonten, nachdem die BaFin diese in ihren Auslegungs- und Anwendungshinweisen für die Kreditwirtschaft, als risikobehaftet einstufte.
Der Nutzen von (Sammel-)Anderkonten für die Anwaltschaft liegt unter anderem darin, dass Transaktionen – zum Beispiel zwischen Geschädigten und Schuldigen, nicht direkt, sondern indirekt abgewickelt werden können. Bei Sammelanderkonten im Gegensatz zu Einzelanderkonten kommt hinzu, dass nicht für jeden einzelnen Mandanten ein neues Konto eröffnet werden muss, was sowohl für Anwält:innen als auch Banken einen bedeutenden Effizienzgewinn ausmacht.
Bis zur Änderung der Auslegungs- und Anwendungshinweise der BaFin reichten für Anderkonten vereinfachte Sorgfaltspflichten seitens der kontoführenden Institute aus. Doch laut BaFin musste diese Einschätzung auch aufgrund der Erkenntnisse aus der Ersten Nationalen Risikoanalyse revidiert werden. Demnach könnten sich Banken nicht mehr auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten durch die Angehörigen der Verpflichtetengruppe verlassen. Diese war jedoch Grundlage für die Anwendung vereinfachter Sorgfaltspflichten durch die Banken. In Folge steigen die Kontoführungskosten für die Banken, da verstärkte Sorgfaltspflichten anzuwenden sind, und machen die Weiterführung von Sammelanderkonten für Banken unattraktiv.
Die BRAK reagierte und beschloss als „Rettungsversuch von Sammelanderkonten“ Änderungen der berufsrechtlichen Pflichten in §4 BORA. Demnach ist es Anwält:innen verboten über Sammelanderkonten Transaktionen abzuwickeln, bei denen Risiken der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung bestehen. Immobilientransaktionen, Unternehmenskäufe, größere Bargeschäfte und Überweisungen von oder auf Konten in Hochrisikoländern sind seitdem durch §4 Abs. 1 a)-c) ausgeschlossen – was die Risikoeinschätzung von Banken erleichtern sollte.
Während die Auslegungs- und Anwendungshinweise schon in ihrer alten Fassung darauf hingewiesen haben, dass verpflichtete Rechtsanwält:innen ihrer Bank zur Vermeidung einer drohenden Kontokündigung erforderliche Auskünfte zu einzelnen Transaktionen (z.B. zur Herkunft des Geldes), zu Mandant:innen und/oder wirtschaftlich Berechtigten erteilen mussten, werden nun die gem. § 4 Abs. 1 BORA verschärften Pflichten ebenfalls konkret aufgeführt (vgl. Ziffer 22).
Neuauflage des Streits um Überwachung
An der Gesamtrisikoeinschätzung der Anwaltschaft änderte dies jedoch anscheinend nicht viel. Im April 2024 sollte es im Rechtsausschuss des Bundestages eigentlich um einen Gesetzesentwurf zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen gehen. Doch ein Änderungsantrag der Regierungsfraktionen sorgte dafür, dass sich im Beschluss des Ausschusses eine Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung mit dem Einfügen des neuen § 73a in die BRAO findet.
Demnach werden die Rechtsanwaltskammern zur Prüfung von Sammelanderkonten verpflichtet. Prüfungen sollen ohne besonderen Anlass erfolgen und Verstöße in Form von Statistiken dokumentiert und dem Bundesministerium der Finanzen mitgeteilt werden.
Die BRAK sieht in diesem Vorstoß einen erneuten Angriff auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht, die den Zielen der Gelwäscheprävention untergeordnet werden soll. Denn eine Prüfung sei nur dann möglich, wenn die Kammern Zugriff auf die Handakten der Anwält:innen bekämen. Dies wiederum würde einen Verstoß gegen ebenjene Verschwiegenheitspflicht bedeuten.
Zudem sehen sich die Kammern durch den zusätzlichen Prüfauftrag mit Aufgaben belastet, die auch das Verhältnis zwischen Anwält:innen und den Kammern als zuständige Aufsichtsbehörden belasten. Denn aktuell übernehmen Kammern die Prüfung ihrer Mitglieder auf die Einhaltung geldwäscherechtlicher Pflichten bei Kataloggeschäften. Die Kammern fragen anhand einer Selbstauskunft ab, ob Rechtsanwält:innen an Kataloggeschäften mitwirken und somit nach dem GwG verpflichtet sind. Danach werden Berufsträger stichprobenartig geprüft.
Diese setzt jedoch voraus, dass Anwält:innen zuerst eine Selbstauskunft ausfüllen, um ihre Verpflichteten-Eigenschaft festzustellen. Danach würde anlassbezogen geprüft. Mit der Beschlussempfehlung des Ausschusses sollte jetzt aber zumindest bei der Überprüfung von Sammelanderkonten ebendieser Anlass wegfallen.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
In der zweiten und dritten Lesung im Bundestag wurde die Änderung des §73a BRAO letztendlich ausgeklammert. Sowohl Bündnis90/die Grünen, die FDP als auch die SPD verwiesen auf die Komplexität des Themas und darauf, dass es eine Lösung für Sammelanderkonten brauche. In der Begründung der FDP heißt es dazu, man „könne außerhalb Deutschlands die Tendenz erkennen, dass Rechtsanwälte latent nicht als Organ der Rechtspflege, sondern als Teil der Privatwirtschaft wahrgenommen würden. Daraus würde geschlossen, dass sie hinsichtlich Themen wie Geldwäsche und organisierte Kriminalität besonders gefährdet seien und im Blick stünden“ (Drucksache 20/12144, S. 37). Das treffe auch auf Deutschland zu.