FIU Jahresbericht 2023: Es gibt sie noch, die guten Nachrichten – oder?

Veröffentlicht: 2024-11-28

Stellen Sie sich vor, Sie hegen einen Geldwäscheverdacht. Häufig löst allein der vorherige Halbsatz eine Kette von Arbeitsschritten aus, von denen am Ende in den meisten Fällen weder Verpflichtete, die Strafverfolgung noch Kunden profitieren.

Geldwäsche-Verdachtsmeldungen verursachen schwer zu messende Kosten

Eine nicht-vollständige Skizze: Verdacht -> Information der intern zuständigen Stelle -> Prüfung des Sachverhalts und zugehöriger Unterlagen -> Abgabe einer Meldung -> Stoppen der Transaktion (Stillhaltefrist) für min. 3 Werktage -> Dokumentation…

2022 wurden 337.186 Verdachtsmeldungen über das Meldeportal „goAML“ der Financial Intelligence Unit (FIU) abgegeben. Jede einzelne Meldung produziert nach obigem Prozess Kosten, die sich nur schwer ermessen lassen.

Der Nutzen hingegen schon: 2022 wurden lediglich 38.000 Analyseberichte durch die FIU an die Strafverfolgung weitergeleitet. Nur 0,1% der Meldungen waren entsprechend werthaltig oder gaben zumindest einen direkten Anlass, sie weiterzuleiten.

Verdachtsmeldungen: Weniger könnte mehr sein

Was muss also passieren? Natürlich müssen Verdachtsmeldungen weiterhin abgegeben werden. Doch für Verpflichtete sowie die Financial Intelligence Unit gilt: Es können gerne weniger sein – wenn dafür die Werthaltigkeit steigt.

Beispiel Finanzsektor: Aus Angst vor Bußgeldern wegen nicht-abgegebener Verdachtsmeldungen wurden über die letzten Jahre Unmengen von Meldungen beim Vorliegen jedweden Verdachts abgegeben. Beispielsweise bei der bloßen Nutzung von Kryptowährungen oder dem Verlust/Diebstahl von Kredit-/Debitkarten.

Die niedrige Meldeschwelle ist nachvollziehbar. Denn das Geldwäschegesetz selbst setzt niedrige Hürden – den reinen Verdacht – für die Abgabe von Meldungen. Einige Verpflichtete, die in der Vergangenheit die Abgabe von Meldungen verzögerten, wurden zudem mit saftigen Bußgeldern versehen.

Zum ersten Mal veröffentlichte die FIU 2023 aus diesem Grund Negativtypologien, die nicht-Meldepflichtige Sachverhalte, wie oben genannte, für Verpflichtete auflistete. Ziel: Die Anzahl der eingehenden nicht-werthaltige Verdachtsmeldungen senken, und dadurch auch Verpflichtete zu entlasten.

FIU-Jahresbericht 2023: Erstmals sinkende Anzahl an Verdachtsmeldungen

Laut FIU-Jahresbericht 2023 mit Erfolg. Erstmals sank 2023 die Zahl der abgegebenen Verdachtsmeldungen im Vergleich zum Vorjahr auf 322.590 – also um 14.596 Meldungen (-4,33%).

Zeitgleich stieg die Zahl der Analyseberichte auf 81.550, also einem Anteil von immerhin 0,25% der gesamt abgegebenen Meldungen. Im Verhältnis immer noch wenig – aber mit 116% ein enormer Anstieg zum Vorjahr.

Grund allein sind nicht nur Negativtypologien. Die FIU intensiviert zusätzlich den direkten Dialog mit Verpflichteten und tauscht sich mit weiteren Akteuren – unter anderem über die Public-Private-Partnership „AFCA“ aus, in der auch Kerberos Mitglied ist.

Austausch mit Verpflichteten soll zunehmen

Zukünftig sollen Verpflichtete zudem automatisierte Rückmeldungen auf ihre Verdachtsmeldungen über das Meldeportal goAML bekommen. Auch hierdurch kann die Qualität der Meldungen zunehmen.

Ob sich die Gesamtkosten für Verpflichtete bei der Abgabe von Meldungen dadurch senken lassen, ist jedoch nicht garantiert. Denn Verpflichtete müssen sich auch über Negativtypologien informieren und Weiterbilden. Austauschformate mit der FIU verschlingen zusätzlich kostbare (Arbeits-)Zeit.

Finanzsektor gibt 96% der Meldungen ab

Für Verpflichtete aus dem Finanzsektor geht die Rechnung eher auf als für Verpflichtete aus dem Nicht-Finanzsektor, die seltener Meldungen abgeben. Der Finanzsektor gab 2023 rund 96% der Verdachtsmeldungen ab.

Dabei liegt deren Anteil an registrierten Nutzern des Meldeportals goAML laut FIU 2023 bei nur 14-20%. Zahlenmäßig stellt der Nicht-Finanzsektor mit bis zu 44.000 Registrierten die weitaus größere Gruppe potenziell Meldender dar.

Diese Zahlen sind aktuelle Schätzungen, die Kerberos auf Basis der bisherigen FIU-Berichte und anderer Quellen anstellt. Die konkreten Zahlen werden von der FIU nicht veröffentlich. Worauf sie jedoch hinweist, ist der insgesamt starke Anstieg an Registrierungen.

Dies dürfte auch mit der Verpflichtung zur Registrierung zusammenhängen, für die Ende 2023 eine Übergangsfrist auslief. Demnach stieg die Zahl der registrierten Verpflichteten folgerichtig auf über 50.000. Eine mehr-als-Verdoppelung zu 2022. Der größte Teil der Neuregistrierungen kam aus dem Nicht-Finanzsektor.

Immer mehr goAML-Registrierungen aus dem Nicht-Finanzsektor

Besonders Steuerberater und Steuerbevollmächtigte holten auf: Ca. 14.000 Neuregistrierungen kamen hier auf ca. 1.900 schon Registrierte. Auch knapp 4.000 Rechtsanwälte und Notare holten ihre Registrierung bis Ende 2023 nach (Aktuell Registrierte bis zu 11.700).

Doch die reine Registrierung sagt noch nicht viel aus: Die steigende Anzahl an Registrierten steht der Zahl der aktiven Nutzer gegenüber. Lediglich 3.930 Registrierte gaben 2023 auch eine Meldung ab. Insgesamt nur exakt 169 (!) Verpflichtete mehr als im Vorjahr. Wohlgemerkt: Bei einer Zunahme um über 31.000 Registrierungen.

Weiter wird die tatsächliche Anzahl der zu einer Registrierung Verpflichteten noch viel höher geschätzt. Laut FATF-Bericht von 2022 sollen allein in Deutschland rund 43.703 Rechtsanwälte und Notare zu den Verpflichteten zählen. Oder insgesamt rund 30.000 Immobilienmakler – aktuell registriert lediglich bis zu 3.900.

Ausgenommen einer nicht seriös bezifferbaren Anzahl an verpflichteten Güterhändlern in Deutschland, schätzt die FATF die Anzahl der Verpflichteten nur für den Nicht-Finanzsektor auf über 225.000. Entsprechend ist der auch von der FIU im Jahresbericht gelobte Anstieg an Registrierungen mit Vorsicht zu genießen. Einigen Quellen zufolge ist jedoch auch für das Jahr 2024 mit einem weiteren enormen Anstieg an Registrierungen zu rechnen.

Ausblick: Gemeinsames Verständnis stärken

Damit sich trotz der hohen Anzahl an (potenziell) Registrierten die Anzahl an Meldungen und damit auch der Aufwand für Verpflichtete nicht doch zukünftig wieder steigert und die Meldequalität ebenso weiter zunimmt, ist ein kontinuierlicher Austausch zwischen der Behörde und Verpflichteten zu begrüßen.

Hierzu schreibt der Leiter der FIU im Vorwort des Jahresberichts 2023: „Ich selbst führe regelmäßig Gespräche mit Verpflichteten (…). Nicht nur, um auf diesem Weg die Zusammenarbeit weiter zu stärken, sondern auch, um ein gemeinsames Verständnis zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und der Rolle der FIU in diesem Zusammenhang auszuprägen.“

Auch wir von Kerberos sind hier aktiv – beispielsweise durch regelmäßige Informationsangebote für Verpflichtete zur effektiven Abgabe von Verdachtsmeldungen sowie der Einhaltung weiterer Pflichten nach dem Geldwäschegesetz.

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