"Know Your Customer" für freie Berufe: Herausforderungen und Lösungsansätze für Anwält:innen und Notar:innen

Veröffentlicht: 2025-03-21

Warum richtige Kundenidentifizierung mehr ist als nur eine Pflicht

Der Kampf gegen Geldwäsche beginnt mit einer zentralen Maßnahme: dem Kennenlernen der Mandant:innen. Die sogenannten "Know Your Customer"-Prüfungen (KYC) bilden das Rückgrat der Geldwäscheprävention und verhindern, dass Finanzkriminelle legale Geschäfte zur Einschleusung illegaler Gelder nutzen können.

Ein Praxisbeispiel: Ein Rechtsanwalt wird von vermeintlichen Erb:innen zur Veräußerung einer zum Nachlass gehörenden Immobilie beauftragt. Bei genauerer Prüfung stellte sich jedoch heraus, dass die Immobilie vom Erblasser durch illegale Gelder finanziert worden war. Hätte der Anwalt das Mandat angenommen und den Erlös auf einem Anderkonto verwahrt, wäre er unwissentlich Teil einer Geldwäschehandlung geworden. Die sorgfältige KYC-Prüfung verhinderte hier nicht nur potenzielle Geldwäsche, sondern schützte die Kanzlei auch vor empfindlichen Bußgeldern und Reputationsschäden.

Die gesetzlichen Anforderungen an die Identifizierung

Rechtsanwält:innen und Notar:innen sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG nur dann vom Geldwäschegesetz erfasst, wenn sie bestimmte Kataloggeschäfte erbringen. Hierzu zählen etwa:

  • Kauf und Verkauf von Immobilien oder Gewerbebetrieben

  • Verwaltung von Geld, Wertpapieren oder sonstigen Vermögenswerten

  • Eröffnung oder Verwaltung von Bank-, Spar- oder Wertpapierkonten

  • Beschaffung der zur Gründung, zum Betrieb oder zur Verwaltung von Gesellschaften erforderlichen Mittel

  • Gründung, Betrieb oder Verwaltung von Treuhandgesellschaften, Gesellschaften oder ähnlichen Strukturen

Bei solchen Tätigkeiten müssen gemäß §11 Abs. 4 GwG bei natürlichen Personen folgende Daten erhoben werden:

  • Vor- und Nachname

  • Geburtsort

  • Geburtsdatum

  • Staatsangehörigkeit

  • Wohnanschrift

Bei juristischen Personen und Personengesellschaften sind erforderlich:

  • Firma, Name oder Bezeichnung

  • Rechtsform

  • Registernummer (falls vorhanden)

  • Anschrift des Sitzes

  • Namen der Mitglieder des Vertretungsorgans oder der gesetzlichen Vertreter

Darüber hinaus muss geprüft werden, ob es sich bei Mandant:innen oder wirtschaftlich Berechtigten um politisch exponierte Personen handelt und ob Bezüge zu Hochrisikoländern bestehen.

Herausforderungen bei der Verifizierung

Die Verifizierung dieser Daten muss grundsätzlich anhand eines gültigen amtlichen Ausweises erfolgen. Traditionell erforderte dies die persönliche Anwesenheit der Mandant:innen - ein Prozess, der für Kanzleien mit überregionaler oder internationaler Mandantschaft kompliziert und zeitaufwendig sein kann.

Erfreulicherweise gibt es mittlerweile Alternativen: Seit der Aktualisierung der gemeinsamen Anwendungs- und Auslegungshinweise der Länder für den Nichtfinanzsektor ist geregelt, dass eine Überprüfung der Identität durch Videoidentifizierung bei Einhaltung der BaFin-Anforderungen grundsätzlich möglich ist. Kanzleien können somit auch Mandant:innen bedienen, die für die Identifizierung nicht persönlich erscheinen können.

Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet Bayern: Das Bayerische Staatsministerium des Innern entschied, dass mangels einschlägiger Rechtsgrundlage eine Überprüfung der Mandantendaten durch Videoidentifizierung im Nichtfinanzsektor nicht zulässig ist. In Bayern ansässige Kanzleien stehen demnach vor der besonderen Herausforderung, wie sie nicht persönlich vor Ort anwesende Mandant:innen gesetzeskonform identifizieren können.

Besonderheiten bei wirtschaftlich Berechtigten

Eine besondere Herausforderung für Rechtsanwält:innen und Notar:innen stellt die Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten dar. Ein wirtschaftlich Berechtigter ist immer eine natürliche Person, die:

  1. unmittelbar oder mittelbar mehr als 25% der Kapitalanteile hält oder mehr als 25% der Stimmrechte besitzt, oder

  2. auf vergleichbare Weise Kontrolle ausübt und/oder den Vertragspartner kontrolliert, oder

  3. auf deren Veranlassung eine Transaktion durchgeführt wird und/oder die Geschäftsbeziehung begründet wird.

Da etwaige Prüfungen Zeit- und Ressourcen-aufwändig sein können, lohnt es sich, über eine Auslagerung der Prüfprozesse an Expert:innen nachzudenken. Gerne beraten wir Sie hierzu.

Verstärkte Sorgfaltspflichten bei besonderen Risiken

Besondere Aufmerksamkeit ist geboten, wenn Mandant:innen oder wirtschaftlich Berechtigte politisch exponierte Personen (PEPs) sind oder aus Hochrisikoländern stammen. Zu den PEPs zählen Personen, die ein hochrangiges öffentliches Amt im In- oder Ausland ausüben oder in den vergangenen zwölf Monaten ausgeübt haben, wie etwa:

  • Staats- und Regierungschefs

  • Bundesminister und Minister der Länder, die Bundesratsmitglieder sind

  • Parlamentsabgeordnete auf Bundesebene

Bei einem positiven PEP-Status müssen Kanzleien zusätzliche Maßnahmen ergreifen:

  • Einholung der Zustimmung der Geschäftsführungsebene zur Begründung oder Fortführung der Mandatsbeziehung

  • Einholen eines Mittelherkunftsnachweises (risikoorientiert kann auch eine Selbstauskunft genügen)

  • Kontinuierliche Überwachung dauerhafter Mandatsbeziehungen

Fazit: Zwischen Verschwiegenheitspflicht und Prävention

Die Einhaltung der KYC-Vorschriften birgt für Rechtsanwält:innen und Notar:innen besondere Herausforderungen, da sie im Spannungsfeld zwischen berufsrechtlicher Verschwiegenheitspflicht und geldwäscherechtlichen Vorgaben stehen. Nach § 43 Abs. 2 GwG sind Rechtsanwält:innen nicht zur Abgabe einer Verdachtsmeldung verpflichtet, wenn sich der meldepflichtige Sachverhalt auf Informationen bezieht, die sie im Rahmen von Tätigkeiten der Rechtsberatung oder Prozessvertretung erhalten haben.

Diese Ausnahme gilt jedoch nicht, wenn der Berufsträger weiß, dass der Mandant die Rechtsberatung oder Prozessvertretung für den Zweck der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung genutzt hat oder nutzt. Auch Sachverhalte im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen, die in der Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien beschrieben sind, unterliegen der Meldepflicht.

Im Sinne einer einheitlichen Regelung sollten Verpflichtete bundesweit einheitlich auf schnelle und flexible Verfahren der Identitätsprüfung wie beispielsweise VideoIdent zurückgreifen dürfen. Eine persönliche Vorlage und Prüfung von Ausweisdokumenten ist für viele moderne Kanzleien weder zeitgemäß noch praktikabel.

Was neben all den praktischen Herausforderungen nicht vergessen werden darf: Die richtige Mandantenidentifizierung kann Kriminellen ihr Leben erschweren, schützt die Wirtschaft, die Gesellschaft und die internationale Ordnung. In Deutschland werden nach Schätzungen jährlich rund 100 Milliarden Euro gewaschen – ein erheblicher Teil davon unter Einbindung von rechtsberatenden freien Berufen, die als "Gatekeeper" fungieren können.

Bei Kerberos Compliance unterstützen wir Kanzleien mit effizienten Lösungen, um den KYC-Prozess regelkonform und gleichzeitig praxistauglich zu gestalten. Denn Compliance muss nicht kompliziert sein – auch nicht für freie Berufe im Spannungsfeld zwischen Mandanteninteressen und gesetzlichen Verpflichtungen.

Sebastian Krolczik

Senior Manager Partnership Management

Zurück
Zurück

Rückgang bei Geldwäsche-Verdachtsmeldungen: Was steckt dahinter?

Weiter
Weiter

Geldwäsche treibt Immobilienpreise: Neue Studie belegt ökonomische Folgen