Der blinde Fleck der Geldwäscheprävention.
Warum unser größtes Unterhaltungsmedium ein Geldwäsche-Problem hat - ein Beitrag des Geldwäsche-Experten Felix Nitsch.
Es ist der größte Unterhaltungsmarkt der Welt: Videospiele. Mit einem Jahresumsatz von 201 Milliarden Euro im Jahr 2022, wobei stolze 9,9 Milliarden Euro dem deutschen Markt zuzuordnen ist, hat der Gigant Gaming die Filmindustrie als größtes Unterhaltungsmedium nicht nur abgehängt, sondern regelrecht pulverisiert. Ein großer Teil dieses Volumens entstammt dabei den sogenannten Mikrotransaktionen, also Käufen in Spieleigenen Shops, um neue Skins, Token oder Lootboxen zu erhalten. Sagen Ihnen diese Begriffe etwas? Falls nein, geht es Ihnen wie vielen Menschen in Deutschland, vorrangig den älteren Generationen.
Nun nähern wir uns allmählich der Problematik an: Ein so großes und komplexes System, wie der Gaming Sektor, der Gebrauch macht von modernen Technologien, die von Cloudsystemen bis zu Blockchain und Kryptowährungen reicht, ist anfällig für Missbrauch. Kriminelle haben den Gaming-Sektor bereits als neues Geldwäsche-Nirvana ausgelotet. So meldete Valve Corp., das Unternehmen, welches hinter der größten Videospielplattform der Welt „Steam“ steckt und unter anderem Titel wie Counter Strike vertreibt, dass sie davon ausgehen, dass nahezu alle Käufe von Keys über den hauseigenen Marktplatz einen kriminellen Hintergrund haben. Als Reaktion wurde der Handel mit diesen Keys eingestellt. Dies ist jedoch nur eine Fassette eines noch größeren Problems, denn die Möglichkeiten der Geldwäsche sind vielfältig. Von fingierten Käufen digitaler Immobilien in Spielen wie „Second Life“, über den Verkauf und Kauf kostspieliger Skins und Items über Internetseiten von Drittanbietern in Kryptowährungen, bis hin zum Verkauf von Spiele-Keys durch Kreditkartenbetrug ist das Angebot für Geldwäscher riesig.
Geldwäsche könnte dabei folgendermaßen ablaufen:
Ein:e Kreditkartenbetrüger:in lädt ein Steam-Konto mit einem höheren Guthaben aus ergaunertem Geld auf. Steam ist jedoch eine Einbahnstraße, das heißt, man kann zwar Geld auf ein Steam-Konto einzahlen, aber nicht wieder auszahlen. Diese Barriere kann aber sehr einfach überwunden werden. Die Kriminellen kaufen mit dem ergaunerten Geld mehrere neue und beliebte Spiele-Keys. Sie bieten die Keys zur Nutzung dieser Spiele auf einem Marktplatz an, wie G2play, Kinguin oder MMOGA und gibt Ihnen einen 10% Rabatt. Spieler:innen, die diese Spiele nun kaufen, erhalten von den Key innerhalb von Steam als Geschenk, das Geld hingegen wird über Paypal, Klarna und Co. überwiesen.
Aber auch der Handel mit Items bietet viele Möglichkeiten zur Geldwäsche. Ein weiteres Beispiel: Kriminelle kaufen auf einem Marktplatz für Skins und Items wie Dmarket.com mehrere teure Items mit Bitcoin. Die Bitcoins stammen aus dem Verkauf von Drogen. Sie bieten diese Items nun erneut zum Verkauf an. Den Gewinn aus den Verkäufen lassen sie sich per Paypal auszahlen.
Wie reagiert also der Gesetzgeber auf diese riesige Geldwäschemaschine? Die Antwort schockiert: überhaupt nicht.
Der Gaming-Markt ist noch jung und an vielen Stellen mangelt es am Verständnis für das Produkt, für die Abläufe und die Motivation der Spieler:innen. Vielerorts sind Videospiele nach wie vor ein Produkt für Kinder, welches in der Welt der Erwachsenen nichts zu suchen hat. Die Realität sieht hingegen anders aus. Knapp jede:r zweite Deutsche, rund 34,3 Millionen Menschen mit einem Durchschnittsalter von 36,4 Jahren, spielt regelmäßig. Kriminelle haben das gewaltige Potenzial des Gaming-Sektors schon lange für sich entdeckt, doch es gibt keine Gesetzgebung, keine Kontrolle und keine Reglementierung, um den Geldwäschern die Butter vom Brot zu nehmen.
Dabei ist das Problem vielschichtig und geht über ein „nicht Verstehen“ hinaus: Denn jede Maßnahme muss zunächst einen Verpflichteten benennen und hier fängt der Spießrutenlauf an. Wer die AGB beim Kauf eines Spiels liest, der weiß sehr schnell: Ich habe nur ein Nutzungsrecht und bin weder Besitzer:in noch Eigentümer:in der Software. Dies würde in diesem Fall auch für alle handelbaren Gegenstände, also Skins, Lootboxen etc. gelten, die Spieler:innen erwerben oder erspielen. Darf also mit diesen Gegenständen durch Spieler:innen überhaupt gehandelt werden?
Einige Spiele verfügen über Handelssysteme, wobei Preise und Kurse von Spieler:innen gesteuert werden. Das Spiel „Second Life“ ist bereits 20 Jahre alt und verfügt über ein komplexes Wirtschaftssystem, welches außerhalb jeder Regulation existiert. Dabei geht es hier um echtes Geld, und zwar in Millionenhöhe.
Sollte sich die Gesetzgebung nicht diesen Umständen anpassen und aktiv werden, wird Deutschland ein Land der Geldwäscher bleiben.
Im Übrigen: Lootboxen wurden bereits in den Niederlanden, Österreich und Belgien verboten, da diese als illegales Glücksspiel eingeordnet wurden, welches vor allem Minderjährigen zugänglich ist. Deutschland stimmte dieser Einschätzung bislang nicht zu. Nun nimmt die Diskussion um das Thema Lootboxen aber doch langsam Fahrt auf. So bezog unter anderem auch Lena Werner MdB von der SPD Stellung: „Gaming sollte eine Freizeitaktivität sein, die Freude bereitet und kein Glücksspiel durch die Hintertür sein. Besonders im Hinblick auf Kinder und Jugendliche ist es unsere Verantwortung, Schutzmechanismen zu etablieren, um sie vor möglichen negativen Auswirkungen zu bewahren.“