Wie Sie die Wirtschaft retten (müssen) und Christian Lindner glücklich machen

Die rasante Entwicklung der aktuellen geldwäscherechtlichen Gesetzgebung beginnt mit einem Albtraum und Christian Lindner. Gerade frisch im Amt, wurde der neue Bundesfinanzminister von der Financial Action Task Force – kurz FATF – in die Mangel genommen. Wie steht’s in Deutschland um die Geldwäschebekämpfung, Herr Lindner? Soll die Wirtschaft hieran zu Grunde gehen?

Eine Frage, die Lindner vielleicht gar nicht so einfach beantworten konnte. Denn der Kampf gegen Geldwäsche kam zumindest im Wahlprogramm seiner Partei zur Bundestagswahl 2021 nicht vor. Er widerspricht sogar Teilen der Parteilinie: Freie Wirtschaft, kleiner Staat, weniger Bürokratie.

Der Kampf gegen Geldwäsche beinhaltet auch den wichtigen Part „Geldwäscheprävention“. Unternehmen müssen in Compliance-Maßnahmen investieren. Der Staat muss die Einhaltung prüfen – über Beamte, Behörden, Programme – unter Androhung von Strafen. Nicht gerade die FDP-Anreiz-Programmatik.

Der Albtraum der FDP

Doch die FATF pflegt etwas, was die Partei des Finanzministers noch mehr fürchtet als Bürokratie: Eine schwarze und eine graue Liste.

Ein kleiner Exkurs: Die FATF ist eine internationale G7-Organisation, die Standards im Kampf gegen Finanzkriminalität weltweit setzt und überwacht. Faktisch jedes Land der Welt wird von ihr geprüft und eingestuft. Landen Länder auf der schwarzen Liste, werden sie vom internationalen Finanzmarkt abgekoppelt. Aktuell stehen Nordkorea, Iran und Myanmar auf dieser Liste.

Landen Länder auf der grauen Liste, heißt das: Vorsicht! In diesem Land werden die Standards nicht oder nur unzureichend eingehalten. Geschäfte mit solchen Staaten sind erlaubt, denn die FATF-Standards sind kein bindendes Recht. Doch Geschäftspartner sollten besondere Vorsicht walten lassen. Alles wird verstärkt geprüft und überwacht. Der internationale Handel wird erschwert, um Anreize zu schaffen, sich zu bessern.

Zurück zur FDP, Lindner, der FATF und Deutschland.

Lindners Befreiungsschlag

2022 bestand kurzzeitig die Gefahr, dass die Exportnation Deutschland auf die graue Liste wandern könnte. Ein wirtschaftlicher Albtraum. Einen Tag vor Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse der FATF zu Deutschland, holte Lindner zum Befreiungsschlag aus: Er kündigte auf einer Pressekonferenz eine umfassende Reform der Geldwäschebekämpfung in Deutschland an. Inklusive der Schaffung einer – und das dürfte als FDP-Minister besonders hart gewesen sein – neuen Bundesbehörde mit tausenden Mitarbeitern.

Einen Tag später dann das Prüfungsergebnis der FATF. Note: Gerade noch befriedigend. Ob der Befreiungsschlag hierfür ausschlaggebend war, weiß man nicht.

Etwas mehr als ein Jahr ist seitdem vergangen. Die damals angekündigte Reform nimmt Gestalt an.

Weniger ist mehr

Hierbei geht es aktuell um zwei Gesetzte. Eins zur Behebung alter Probleme, eines zur Schaffung neuer Strukturen.

Zum Ersten: Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz müssen verdächtige Transaktionen bei der Financial Intelligence Unit (FIU) melden. Als verdächtig kann fast alles gelten. Insbesondere Banken haben Angst, wegen Nicht-Meldung verdächtiger Sachverhalte bestraft zu werden – und melden deswegen massenhaft.

Die FIU ist überlastet, schafft es nicht, alle Meldungen zu bearbeiten. Ähnlich einer Polizeistation, bei der die Drähte heiß laufen und zu wenig Beamte Anrufe entgegennehmen.

Das „Gesetz zur Stärkung risikobasierten Arbeitsweise der FIU“ verfolgt nun das Ziel, die Mitarbeiter der Behörde zu entlasten. Sie sollen vereinfacht gesagt Meldungen nach ihrem Risiko filtern und risikorelevante Meldungen priorisieren.

Die Kritik lässt nicht auf sich warten. So heißt es mit Verweis auf den Polizei-Vergleich: „Man möge sich vorstellen, Nancy Faeser würde vorschlagen, dass die Polizei bei bestimmten Straftaten, die sie gerade nicht so wichtig findet, keine Ermittlungen aufnehmen muss - ohne dass die Justiz davon erfährt oder irgendjemand das kontrolliert“, so der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler. Die Befürworter hingegen verweisen auf die FIUs anderer Länder, die schon nach dem risikobasierten Ansatz arbeiten.

Eine neue Behörde soll es richten

Das zweite Gesetz zur „Verbesserung der Bekämpfung der Finanzkriminalität“, kürzer „Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz“ – oder noch kürzer „FKBG“, widmet sich dem Aufbau ganz neuer Strukturen. Diese haben zum Teil weitreichende Folgen – für alle Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz.

Das Gesetz soll den Grundstein für das neue Bundesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (BBF) legen. Dessen Aufgaben, Gliederungen und Arbeitsweisen werden im Gesetzesentwurf auf über 200 Seiten detailliert beschrieben.

Das Amt umfasst drei Unterbereiche. Dazu zählt die FIU, die in die neuen Strukturen integriert werden soll. Außerdem noch ein Ermittlungszentrum Geldwäsche (EZG), welches sich um Fälle der internationalen Geldwäsche mit Deutschlandbezug kümmern wird. Zuletzt soll beim BBF eine neue Zentralstelle für Geldwäscheaufsicht (ZfG) angesiedelt werden.

Einheitliche Standards – für alle

Letztere soll zwar nicht die Aufgaben der über 300 regionalen Aufsichten über den Nicht-Finanzsektor deutschlandweit bündeln, diese jedoch unterstützen und koordinieren. Viele, die schon einmal Gegenstand einer oder mehrerer Prüfungen waren, können sich hierüber freuen. Andere werden fluchen. Ausschlaggebend ist die Region, in der das Unternehmen sitzt. Denn bislang unterscheiden sich die Prüfungsanforderungen der regionalen Aufsichten teils so stark voneinander, dass von der Einen die kleinsten Fehler in der Geldwäscheprävention mit Bußgeldern bestraft werden – während die Andere sogar das völlige Fehlen jedweder Präventionsmaßnahme mit Verweis auf ihr „Ermessen“ nur mit einer Verwarnung ahndet.

Bis Verpflichtete in der Praxis etwas merken, wird viel Zeit vergehen. Was hingegen sofort spürbar wird, ist ein kleiner Passus, der beim Überfliegen des Gesetzesentwurfs schnell untergehen könnte:

150.000 Euro Strafe fürs Nichts-Tun

Ab dem 01.01.2024 soll die Nicht-Registrierung im Meldesystem goAML, über welches die FIU Geldwäsche-Verdachtsmeldungen entgegen nimmt, eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Die Pflicht zur Registrierung für alle Verpflichteten ist schon seit Langem im Gesetz verankert. Allerdings gilt bis zum 31.12.2023 eine Übergangsfrist und eine Nicht-Registrierung hat bis dahin keine Folgen.

Mit der Aufnahme des Ordnungswidrigkeits-Tatbestands in das Geldwäschegesetz können nun Bußgelder von bis zu 150.000€ bei Nicht-Registrierung verhängt werden. Ausgenommen hiervon sind bis 2027 nur Güterhändler, von denen es laut Schätzungen des Bundestags in Deutschland rund 800.000 gibt. Alle übrigen rund 500.000 Verpflichteten sollten sich jedoch sputen. Laut FIU waren bis Ende 2022 nur rund 19.000 Verpflichtete im Meldeportal registriert.

Prüfungen werden zunehmen

Und dabei bleibt es nicht: Bislang verlief der Prüfprozess der regionalen Aufsichtsbehörden schleppend. Denn nicht nur sind regionale Aufsichten oft unterbesetzt, jede Prüfung ist dazu noch kompliziert. Die meisten Verpflichteten erhalten bei einer Prüfung erst einmal ein postalisches Anschreiben, über welches die Einhaltung von Verpflichtungen in schriftlicher Form abgefragt wird. In seltenen Fällen taucht die Behörde auch persönlich auf.

Man kann sich vorstellen, dass die Auswertung und rechtliche Beurteilung der schriftlichen Prüfungen die Aufsichten viele Ressourcen kostet – weswegen im Verhältnis zur Anzahl der Verpflichteten Prüfungen relativ selten vorkommen.

Das kann sich jetzt ändern. Mit Ablauf der Übergangsfrist zur Registrierung im Meldeportal goAML bekommen die Aufsichten ein neues Recht: Sie dürfen nun den Registrierungs-Status von Verpflichteten bei der FIU abfragen. Für viele Verpflichteten-Gruppen sind auch Sammelabfragen möglich.

Massenprüfungen bald möglich

Konkret kann das bedeuten, dass Aufsichten sich schriftliche Anfragen oder gar Vor-Ort-Prüfungen in vielen Fällen erst einmal sparen. Es reicht von nun an bei der FIU nachzufragen, ob Verpflichtete vor Ort – wie Immobilienmakler, Kfz-Händler oder Händler von Edelmetallen, Finanzunternehmen und Treuhanddienstleister – bei goAML registriert sind. Stellt sich dabei heraus, dass dies nicht zutrifft, wissen die Aufsichten: Eine Verpflichtung wird schon nicht eingehalten. Einen Bußgeldbescheid kann man also schon  abschicken. Und: Wo Rauch ist, ist auch Feuer.

Die Aufsichten können so effizienter arbeiten. Verpflichtete müssen sich hingegen verstärkt mit ihren Pflichten auseinandersetzen. Vor diesem Hintergrund ist es zumindest ein guter Anfang, wenn man sich zeitnah im Meldeportal registriert.

Die FDP, Lindner und auch Deutschland werden es Ihnen bei der nächsten FATF-Prüfung danken.

Maren Adam

Senior Manager Compliance

Zurück
Zurück

"In meinen Gesprächen höre ich fast immer, dass Geldwäscheprävention und das Gesetz Unsinn sind"

Weiter
Weiter

Der blinde Fleck der Geldwäscheprävention.