9 Dinge, die Sie bei Geldwäsche-Verdachtsmeldungen besser machen sollten
Veröffentlicht: 2023-08-17
Weit über 300.000 Verdachtsmeldungen werden in diesem Jahr bei der Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls eingehen. Das sind perspektivisch leider auch weit mehr, als die Behörde verarbeiten kann. Während die FIU noch nach Mitteln und Wegen sucht, wie sie der Verdachtsmeldungen Herr werden, lohnt sich ein Blick zurück:
Welche Fehler haben Verpflichtete und Behörden in den letzten fünf Jahren bei der Abgabe und Bearbeitung von Geldwäsche-Verdachtsmeldungen gemacht? Was lernen wir daraus?
Vorab eine Einordnung: Von den vielen Verdachtsmeldungen, die bei der FIU eingehen, werden auch einige weitergeleitet. Hieraus ergibt sich im besten Fall eine Ermittlung, die erfolgreich abgeschlossen wird. Oder Verdachtsmeldungen tragen zu schon bestehenden Ermittlungen bei – und liefern sogar den entscheidenden Hinweis um Geldwäscher, Terror-Finanzierer und andere Kriminelle Dingfest zu machen. Kurz: Sie sind wichtig – und dieser Beitrag soll Sie nicht davon abschrecken, sie weiterhin abzugeben. Vielleicht hilft er aber dabei, bei zukünftigen Meldungen auf wichtige Aspekte zu achten.
Unaufmerksame Mitarbeiter:innen - Juni 2016
2015 sollen Bankmitarbeiter eines großen deutschen Geldinstituts Betrügern geholfen haben, mittels CO2-Zertifikaten ein Umsatzsteuerkarusell zu betreiben. Hunderte Millionen kostete das den Staat.
Die Hilfe bestand maßgeblich darin, dass zu späte oder keine Verdachtsmeldungen abgegeben wurden.
Kostenpunkt für das Institut: 40 Millionen Euro.
Erste Erkenntnis: Mitarbeiter:innen sollten gut geschult werden, um Verdachtsfälle zu erkennen und im richtigen Moment Meldung zu erstatten.
Unfehlbare Behörden? Mitnichten - August 2018
Zahlen aus dem Vorjahr, die der Spiegel aus dem Finanzministerium haben will, stellen der Financial Intelligence Unit (FIU), die zu diesem Zeitpunkt erst seit Kurzem beim Zoll angesiedelt ist, ein durchwachsenes Zeugnis aus.
Insgesamt seien seit Ansiedlung der Behörde beim Zoll, also zwischen 2017 und 2018, lediglich 25 Transaktionen im Wert von 13,6 Millionen Euro gestoppt worden. Gemeint dürften hier die sogenannten Sofortmaßnahmen sein – ein in Deutschland nahezu einmaliges Instrument, welches es einer FIU bei jeder abgegebenen Verdachtsmeldung ermöglicht, Gelder bis zu 30 Tage lang vorläufig anzuhalten, um tiefgehende Analysen voranzutreiben, bevor der Vorgang ggf. an eine Strafverfolgungsbehörde weitergeleitet wird.
Hierdurch soll das Abfließen illegaler Gelder bereits zu einem Zeitpunkt verhindert werden, der vor einem strafrechtlichen Anfangsverdacht liegt und die FIU in die Lage versetzt, von ihrer guten auch internationalen Vernetzung Gebrauch zu machen und weitere Informationen zusammen zu tragen, Zu erwähnen ist hier insbesondere die sogenannte Egmont-Group, der weltweite FIU-Verbund, mit insgesamt 170 Mitglieder.
In den Folgejahren stieg die Zahl der „Sofortmaßnahmen“, bei denen Transaktionen vorläufig für 30 Tage gestoppt werden, nicht besonders, jedoch mit hohen Wertschwankungen: 2018 – 18 mit einem Gesamtvolumen von ca. 504 Tsd., 2019 – 19 mit einem Gesamtvolumen von ca. 364 Mio., 2020 – 14 mit einem Gesamtvolumen von ca. 1,4 Mio. und 2021 - 48 Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von ca. 19 Mio. Euro.
Zweite Erkenntnis: Die Behörden sind nicht unfehlbar. Gerade deswegen ist es aber für Verpflichtete neben der Abgabe einer Verdachtsmeldung wichtig, richtig zu dokument- und archivieren. Denn auch wenn die Stillhaltefrist verstreicht, können die Behörden fünf Jahre lang die Herausgabe von allen Dokumenten in Zusammenhang mit verdächtigen Transaktionen verlangen. Können sie dies nicht, werden im Zweifel auch Bußgelder fällig.
Das Risiko, Geldwäschebeauftrage:r zu sein - Juli 2019
Eine Geldwäschebeauftragte einer Großbank wird persönlich belangt: Vom OLG Frankfurt wird gegen sie eine Geldstrafe von insgesamt 12.500 € verhängt. Die Geldwäschebeauftragte legt Einspruch ein.
Daraufhin reduziert das OLG die Gesamtstrafe auf 4.200 €.
Die Geldwäschebeauftragte hatte insgesamt drei Verdachtsmeldungen zu spät abgegeben. Dabei handelte es sich um Verdachtsmeldungen zu Einzahlungen einer Bundeskanzler-Witwe auf ein Bankkonto in Höhe von insgesamt 500.000 Euro in Bar.
Die Geldwäschebeauftragte gab als Grund für die Verspätung an, dass sie den Verdacht erst selbst prüfen wollte.
Dritte Erkenntnis: Geldwäschebeauftragte tragen ein hohes persönliches Risiko. Das gilt nicht nur für den Fall einer verspäteten Abgabe von Verdachtsmeldungen, sondern auch für andere Compliance-Verstöße. Der Fall zeigt also auch: Für ein funktionierendes Verdachtsmeldewesen ist nicht nur die Ausgestaltung von Berichts- und Meldewegen unerlässlich, sondern auch die Ausbildung der Geldwäschebeauftragten ist von großer Bedeutung.
Zeit ist (viel) Geld - Oktober 2020
627 zu spät abgegebene Verdachtsmeldungen – 13.5 Millionen Euro: 21.531 Euro pro Verdachtsmeldung.
Die zweit höchste Summe pro Verdachtsmeldung, die die BaFin Medienberichten zu Folge je als Bußgeld – heruntergebrochen auf die Einzelsumme pro Verdachtsmeldung - gegen ein deutsches Finanzinstitut seit 2018 ausgesprochen hat. Zeit ist im wahrsten Sinne des Sprichworts vor allem eins: Geld.
Vierte Erkenntnis: Die Kosten für Non-Compliance fallen immer höher aus als die Kosten für die Einhaltung und (rechtzeitige) Umsetzung von geeigneten Maßnahmen. Losgelöst davon ist der Image-Schaden, den ein Unternehmen unter Umständen bei Gesetzesverstößen erleidet, kaum in Zahlen zu bemessen.
Reizthema Wirecard - Juni 2021
Der ehemalige FIU-Chef Christof Schulte wird in der letzten Ausschusssitzung zum Fall Wirecard vorstellig. Brisant: Die Commerzbank hatte als Korrespondenzbank für Wirecard laut Medienberichten schon Anfang 2019 eine Liste mit 343 dubiosen Transaktionen – also Verdachtsmeldungen - an die Financial Intelligence Unit (FIU) weitergeleitet.
Diese, so Schulte, hätten jedoch keine Rückschlüsse auf deutsche Täter zugelassen – die Transaktionen kamen vor allem aus dem asiatischen Raum. Hinweise zur Bilanzmanipulation lagen der FIU ebenfalls nicht vor. Stattdessen hätte die Behörde sogenannte „Spontaninformationen“ an die Länder geschickt, in denen die jeweiligen an der Transaktion beteiligten Unternehmen ihren Geschäftssitz hatten. Also alles gut?
Die Politik wirft der FIU weitreichendes Versagen vor. Es werden sogar Forderungen laut, die Behörde aufzulösen. Dazu kommt es am Ende dann aber doch nicht. Sicher ist eins: Der Wirecard Bank AG gelang es, eine unbekannte Anzahl von dubiosen Transaktionen abzuwickeln, ohne dass FIU, die zuständigen Aufsichtsbehörden oder die prüfende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft den Betrug erkannten.
Fünfte Erkenntnis: Der Fall Wirecard hat die deutsche Behördenlandschaft deutlich umgekrempelt. Nicht nur hat die FIU heute mit Daniel Thelesklaf einen neuen Chef. Auch die Aufsicht über Unternehmen aus dem Finanz- und Nicht-Finanzsektor ist seitdem erheblich gestärkt worden.
Statt die FIU abzuschaffen, wurde das Personal aufgestockt. Die BaFin geht fast schon rabiat gegen Compliance-Verstöße von Verpflichteten aus dem Finanzsektor vor. Zusätzlich soll ab 2024 ein neues Bundesamt für die Bekämpfung von Finanzkriminalität dafür sorgen, dass ein Fall wie Wirecard sich auch im Nicht-Finanzsektor nicht wiederholen könnte.
FinTechs im BaFin-Fokus - September 2021
Wie schwer es FinTechs haben, geldwäscherechtliche Pflichten einzuhalten, zeigt dieses Beispiel: Für – nach eigenen Angaben – weniger als 50 Fälle, in denen Geldwäscheverdachtsmeldungen zu spät abgegeben wurden, zahlt eine Smartphone-Bank rund 4,25 Millionen Euro Bußgeld.
Macht ca. 425.000 Euro pro Meldung.
Ein mindestens in den letzten fünf Jahren ungebrochener BaFin-Rekord.
Dass dieser Betrag so außergewöhnlich hoch ausfiel, hing wahrscheinlich mit einer generell härteren Gangart der BaFin gegen das Institut zusammen. Denn die Behörde hatte dort nach einer Sonderprüfung erhebliche Mängel moniert und ihm sogar einen Sonderbeauftragten ins Haus geschickt.
Sechste Erkenntnis: Wer einmal auf dem Radar der Behörden landet, wird so lange streng beobachtet, bis die Geldwäsche-Compliance den Anforderungen der Behörde entspricht. Das gilt für den Finanzsektor und den Nicht-Finanzsektor gleichermaßen.
Andere FinTechs werden in Zukunft wahrscheinlich umsichtiger agieren.
Eklat im Bundestagswahlkampf - September 2021
Die in Köln ansässige FIU bekommt während der Bundestagswahl Besuch von der Polizei. Eine Razzia bei der deutschen Spezialeinheit für Geldwäschebekämpfung – gefundenes Fressen für die Medien. Der damalige Finanzminister und Bundeskanzlerkandidat Olaf Scholz sowie seine SPD wittern eine Schmutzkampagne.
Dass die Durchsuchung der FIU-Räumlichkeiten im Nachhinein als unverhältnismäßig eingestuft wurde, ist das eine. Dabei war der eigentliche Auslöser weder politisch noch unbedeutend: Die FIU hatte eine Verdachtsmeldung einer Online-Bank zu einer Transaktion von insgesamt 1.7 Millionen Euro nicht an die zuständige Osnabrücker Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Der Vorwurf: Strafvereitelung im Amt.
Denn so landeten die Gelder laut einem Hinweisgeber mutmaßlich in dunklen Kanälen in Afrika, wo sie für den Handel mit Drogen, Waffen und zur Terror-Finanzierung genutzt wurden.
Siebte Erkenntnis: Weniger ein Verhaltenshinweis – mehr eine generelle Feststellung: Deutschland ist Geldwäscheparadies. Und Geldwäsche kann wie ein Boomerang wirken. Wenn internationale Kriminelle Gelder in Deutschland waschen, um es in ihren Heimatländern wieder zu reinvestieren, können Krisen ausbrechen, die weltweite Konsequenzen haben.
Das Geld der Diktatoren - Mai 2022
Korrespondenzbanken leiten Transaktionen ausländischer Partnerbanken für sie weiter. Dieser einfache Auftrag kann gefährlich werden: Was, wenn ein Kunde einer Partnerbank ein verurteilter Krimineller und noch dazu ein Cousin des syrischen Diktators Bashar al-Assad ist?
Ein großes Geldhaus in Deutschland musste genau hierfür insgesamt rund 7.01 Millionen Euro Strafe zahlen – denn es hatte als Korrespondenzbank Zahlungen des Syrers Rifaat al-Assad, ein Cousin des syrischen Diktators, durchgeleitet, obwohl gegen diesen in diversen europäischen Ländern Ermittlungsverfahren liefen und auch schon Immobilien beschlagnahmt wurden.
Konkret ging es der Staatsanwaltschaft um 701 Fälle leichtfertigen Unterlassens von Verdachtsmeldungen. 10.000 Euro pro Meldung also.
Die Bank war gewappnet: Sie stellte 2022 insgesamt rund 1.1 Milliarden Euro für mögliche Verfahren und Prozesse zurück.
Achte Erkenntnis: Jede:r Verpflichtete muss sich durchgehend darüber bewusst sein, mit wem er oder sie Geschäfte macht – und zwar zu jeder Zeit. Dazu kommen noch besondere Listenabgleiche. So müssen sie zum Beispiel prüfen, ob es sich bei den Vertragspartner:innen um Politisch exponierte Personen (PePs) handelt, ob sie auf Sanktionslisten stehen oder aus einem Hochrisikoland kommen.
Aus den Ergebnissen der Analysen können sie dann zum Beispiel ableiten, ob sie vereinfachte, allgemeine oder verstärkte Sorgfaltspflichten einzuhalten haben, eine Verdachtsmeldung abgeben müssen oder die Geschäftsbeziehung überhaupt zu Stande kommen darf.
Geduld ist eine Tugend – und ein Muss - Juli 2023
Wer meldet, sollte dabei vor allem eines beachten: Handelt es sich um eine noch bevorstehende Transaktion, darf diese drei Werktage lang nicht durchgeführt werden. In dieser Zeit haben die FIU und im Anschluss die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, die Verdachtsmeldung zu prüfen. Kommt es nicht zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder leitet die FIU den Vorgang erst gar nicht an eine Strafverfolgungsbehörde weiter, werden die Gelder nach Ablauf von drei Werktagen wieder freigegeben. Nur selten erhält man als Verpflichteter eine Rückmeldung seitens der Behörden, meistens ergibt sich die Freigabe der Gelder durch Zeitablauf.
Eine Kreissparkasse musste das auf die harte Tour lernen: Sie hatte eine Transaktion ausgeführt – obwohl sie eine Verdachtsmeldung abgegeben hatte und die Stillhaltefrist noch nicht verstrichen war – ohne Zustimmung der FIU oder Staatsanwaltschaft.
Kostenpunkt: 10.000 Euro.
Neunte Erkenntnis: Die FIU oder die Strafverfolgungsbehörde meldet sich zwar in den seltensten Fällen innerhalb der Frist von drei Werktagen nach Abgabe einer Verdachtsmeldung bei Verpflichteten zurück. Das sollte jedoch nicht zu falschen Schlüssen führen.
Die drei Tage können nur abgekürzt werden, wenn eine Staatsanwaltschaft oder die FIU die Transaktion freigibt.